Als meine Tochter noch klein war, bin ich in dieser dunkler werdenden Jahreszeit durch die hell erleuchteten Geschäfte gestreift. In Gedanken an meine kleine zwei-Personen-Familie (alleinerziehend) habe mir vorgestellt, wie schön es sein könnte, dieses und jenes zu kaufen. Mit Geld ausgeben Träume verwirklichen. Trotz schmalem Geldbeutel.
habe ich dieses und jenes gekauft, in der festen Überzeugung, damit beizutragen zu einer schönen, heimeligen Adventszeit und Weihnachtsfest.
- rosa Kleider für die Puppen Miriam und Jonas mit viel Rüschen
- Adventskalender mit Prinzessinnen und Rehen aus Plastik zum Aufbauen
- Wohnungsdekoration in rosa, rot und mit viel Glitzer
- rosa Brotdosen mit mädchenhaftem Motiven
- Holz-Ausstattung für den Kaufladen
- rosarote Perlen zum Auffädeln
Inhalt
Wir alle wünschen uns Wärme, Glück und Geborgenheit
Manchmal habe ich mir vorgestellt, meine Tochter und ich würden beide an den gekauften Gegenständen Freude haben. Manchmal habe ich mir vorgestellt, meine Tochter würde allein und glücklich mit den Gegenständen spielen und sich weiterentwickeln. Fast jeder Kauf war motiviert von dem Gedanken, Glück und Geborgenheit zu vermitteln. Doch haben wir dadurch wirklich Glück, Geborgenheit und Gemütlichkeit gefunden?
Mit zeitlichem Abstand von mehr als einem Jahrzehnt haben sich einige Geschenke als unsinnig heraus kristallisiert. Ganz im Sinne des Minimalismus. Mit diesem zeitlichen Abstand hätte ich das damals ausgegebene Geld viel wertvoller verwenden können: nämlich sparen und heute die scheinbar überlebenswichtigen technischen Geräte finanzieren oder den Führerschein.
Kommunikationseinflüsterungen der Werbeindustrie
Hinter diesem Geschenke-Kaufrausch vor Weihnachten ruht die Idee mit Geschenken und Dekoration könne man Gemütlichkeit, Geborgenheit und Glück herstellen. Es geht nicht um “Weniger ist Mehr”, sondern um “Viel macht viel Glück”. Diese Idee wird von der Werbung nur zu gut unterstützt. Viele erlegen ihren Einflüsterungen, obwohl mit dem Zeitgeist des Minimalismus bereits ein Bewusstsein für nachhaltige Werte geschaffen wurde.
Ein bekanntes Drogerie-Geschäft bringt in der Vorweihnachtszeit einen Katalog mit Spielsachen heraus, der von groß und klein gerne studiert wird. Kinder schneiden ihre Wünsche aus und kleben sie auf den Weihnachtlichen Wunschzettel. Werbung suggeriert dass Zuneigung und Liebe, Wärme und Geborgenheit mit dem Verschenken von Süßigkeiten gleichzustellen.
Adventskalender gibt es nicht nur mit Schokolade und Bilder gefüllt, sondern in allen möglichen Ausstattungen der Spielzeughersteller. Ich erinnere mich gut, wie ich es als Kind in den 60er Jahren des vorigen Jahrtausends mich gefreut habe, allabendlich nach der Schule ein Türchen zu öffnen und die Schokolade im Mund zergehen zu lassen. Allein der Anblick eines bunten Bildes hinter dem Türchen war Überraschung genug. Ein sinnliches Erlebnis für wenig Geld. Und nachher habe ich versucht das Plastik zur Herstellung von Eiswürfeln zu nutzen – mit zweifelhaftem Ergebnis.
In Bayreuth öffnet das Bayreuther Weihnachtsdorf bereits im September: hölzerne überdachte, windgeschützte und beheizte Buden mit Stehtischen, in denen es Glühwein, gebrannte Mandeln und andere Leckereien zu kaufen und zu trinken gibt. Während in der strahlenden Oktobersonne noch Menschen im Straßencafe sitzen, weht schon von hinten vom Bayreuther Weihnachtsdorf der Glühweinduft herüber. Auch der Nürnberger Christkindlesmarkt ist wie alle anderen Weihnachtsmärkte auch: ein Ort, wo man viel Geld ausgeben kann für bisweilen zweifelhafte Dinge.
Minimalismus fragt: Welchen Sinn haben Geschenke?
Natürlich freuen wir Erwachsene uns mit, wenn unsere Kinder sich freuen. Wie schnell verpufft die Freude, und es könnte schon wieder Neues herangeschafft werden, um wieder Freude zu erzeugen. Kinder sind prima Konsumenten. Aus heutiger Sicht waren viele Geschenke eine schnelle (Ersatz-)Befriedigung ohne nachhaltige Wirkung (Dopamin gesteuert) und mit Minimalismus definitiv nicht zu vereinbaren.
Zum Beispiel habe ich damals das Gesellschaftsspiel “Das verrückte Labyrinth für Kinder” gekauft. Wir haben es ein bis zwei Mal gespielt, dann sind wir auf die Edition für Erwachsene umgestiegen. Die Kinder-Edition verstaubt im Schrank und wartet auf einen Wiederverkauf auf ebay.
Gewaltfreie Kommunikation fördert Entscheidungsklarheit
Gewaltfreie Kommunikation bietet viele Beispiele, wie wir uns selbst unserer Motive klarer werden. Sie hilft uns innere Konflikte (kauf ich’s oder kauf ich’s nicht) zu klären. Kommunikationstraining nach Marshall Rosenberg ist nicht nur Kommunikationsmethode und Rhetorik. Gewaltfreie Kommunikation führt zu mehr innerer Klarheit und klaren Entscheidungen. Darauf basiert letztendlich Persönlichkeitsentwicklung.
Minimalismus statt Materialismus
Ich habe auf Basis von Bedürfnissen der Gewaltfreien Kommunikation bzw. auf Werten der Wertschätzenden Kommunikation eine Übung entwickelt. Sie ist für Anfänger und Fortgeschrittene gleichermaßen geeignet – und darf gerne von Kollegen Kommunikationstrainer zum Einsatz in Seminaren verwendet werden (Open Source). Die Übung ist eine Einladung, sich vor Weihnachten zu besinnen, damit es ein be-SINN-liches und kein KÄUF-liches Weihnachtsfest wird.
Es hilft uns, wenn wir uns überlegen, welche Bedürfnisse bzw. Werte wir mit dem Kauf verwirklichen wollen.
Gewaltfreie Kommunikation Übungen
Um diesen Geschenke-Kaufen, Dekorations-Zwang etwas Einhalt zu gebieten, habe ich 2 Tipps:
- Einen großen Bogen um die Fußgängerzone mit ihren verführerischen Angeboten machen und auch im Internet nicht nach Geschenken suchen. So lassen wir uns erst gar nicht erst in Versuchung führen
- Auf Basis von Bedürfnissen/Werten der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg habe ich eine Übung entwickelt (Gewaltfreie Kommunikation Übung zum Download als pdf). Sie hilft, den Sinn hinter den Weihnachtsgeschenken zu erkennen und unterstützt uns darin, andere Möglichkeiten zu finden, auch im Sinn von “Weniger ist Mehr”, im Sinn des Minimalismus
Hier kannst du dir dein Arbeitsblatt AB Reflexion Weihnachtsgeschenke herunterladen